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Was für ein Panorama: Das exponiert stehende Cape Town Stadium in Kapstadt prägt die Silhouette der Stadt.

ZUM THEMA: SPORT

Neubau an – samt Aufmarsch- und Versammlungsgelände,

auf dem vor allem die Mai-Aufmärsche des Dritten Reichs

stattfinden sollten.

Gesellschaftliche Entwicklung

Kaum verwunderlich also, dass mit einem solchen historisch

vorbelasteten Ort sensibel umgegangen werden musste. Das

wussten auch gmp Architekten, als sie beauftragt wurden,

für die Fußballweltmeisterschaft 2006 das Olympiastadion

in Berlin umzubauen. Die Aufgabe umfasste neben der

Tribünenüberdachung, die als leichte zeitgenössische

Ergänzung scheinbar über dem monumentalen Stadionrund

zu schweben scheint, die Sanierung des Gesamtgebäudes.

Die alte, denkmalgeschützte Fassade und mit ihr die Wirkung

nach außen wurden jedoch beibehalten. Sie politisch zu

instrumentalisieren ist für Volkwin Marg, Gründungspartner

des Büros, jedoch nicht zielführend: Er ist der Meinung, dass

Architektur bei aller historischer Bedeutung gesellschaftliche

Entwicklungen überdauere.

Choreographie der Massen

Diese Haltung wurde auch in der Ausstellung „Choreographie

der Massen“ in der Berliner Akademie der Künste anlässlich

der Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine

deutlich, die unter anderem von Volkwin Marg kuratiert

wurde. Sie dokumentierte die ambivalente Kulturgeschichte

der gesellschaftlichen Spektakel und die symbolische

Repräsentanz der „Kathedralen des Sports“. Im Gespräch

mit den beiden anderen Kuratoren, dem Architekturhistoriker

Gert Kähler und Michael Kuhn, damals Pressereferent bei

gmp Architekten, erklärte Volkwin Marg am Beispiel des pol-

nischen Nationalstadions in Warschau seine Sichtweise: „In

Warschau inszenieren wir das neue Nationalstadion als eine

Inkunabel für den polnischen Stolz des nationalen Überlebens,

allen ausländischen Heimsuchungen zum Trotz – deutschen

wie russischen. Polens größter nationaler Versammlungsraum

wird zur triumphalen Landmarke vis-à-vis der aus Trümmern

wieder auferstandenen Altstadt, die zum Weltkulturerbe

ernannt wurde. Das ist die Botschaft der jungen polnischen

Demokratie. Das Nationalstadion wirkt nach außen nicht

schwer und abgeschlossen, sondern leicht und transparent

offen. Was immer in der Mehrzweckarena mit Massen veran-

staltet wird, die Szenographie vermittelt auch nach innen eine

heitere Stimmung.“

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Zweierlei Geschwindigkeit

Dem Einwand Gert Kählers, es werde immer wieder kriti-

siert, dass architektonische Beihilfe zur Massenregie auch

zur Stabilisierung solcher politischer Regime führe, die ohne

ausreichende demokratische Legitimation herrschen, ent-

gegnet Volkwin Marg: „Solcher Missbrauch kann gesche-

hen, aber die politischen Verhältnisse können sich ändern:

Es gibt zweierlei Geschwindigkeiten zwischen Architektur

und Gesellschaft – die eine ist für hundert Jahre gebaut, die

andere wandelt sich ständig. Das ursprüngliche polnische

Nationalstadion beispielsweise entstand unter dem Einfluss

des russischen Stalinismus, zu guter Letzt feierte der polnische

Papst dort eine Messe mit 100.000 Gläubigen. Der Umbau des

ukrainischen Nationalstadions aus Sowjetzeiten wurde von

uns infolge der nationalen Emanzipation von der Sowjetunion

geplant, in der Regierungszeit der zur Zeit eingesperrten frü-

heren Regierungschefin Julia Timoschenko gebaut und vom

heutigen Machthaber Viktor Janukowitsch eröffnet. Wem galt

die Beihilfe zur Massenregie?“

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Startschuss Olympiastadion

Doch zurück zur Architektur. Sie soll also losgelöst sein von

aktuellen politischen Geschehnissen, sich möglichst freima-

chen von Instrumentalisierung jeglicher Art. Das gelang gmp

Architekten mit dem Olympiastadion in Berlin auf eine Weise,

dass sich das Projekt zur wegweisenden Referenz entwickel-

te. Mit diesem Vorzeigeprojekt, aber auch den Umbauten der

Stadien in Köln und Frankfurt im Rücken konnte sich das Büro

zur Fußballweltmeisterschaft vier Jahre später in Südafrika

im Rahmen von drei Wettbewerbsverfahren durchsetzen

und die Aufträge der Stadien für Kapstadt, Port Elizabeth und

Durban bekommen. Jedes dieser drei Projekte für sich wurde

dabei aufgrund der exponierten Lage und der jeweils unver-

Foto: Bruce Sutherland