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Bochum

Hennes Bender ist Ruhrgebiet durch und durch. Er ist nicht nur in Bochum geboren – auch während seines Studiums und seines Berufslebens ist er der Stadt treu geblieben. Was fasziniert ihn so sehr an der Region?

Verraten Sie uns doch, worin die Schönheit des Ruhr­gebiets begründet liegt!
Das Ruhrgebiet will entdeckt werden. Oberflächlich ist es hier wie in vielen Ballungsgebieten auf den ersten Blick natürlich nicht wirklich schön. Aber wenn man sich aus den Stadtzentren mit ihren Fußgängerzonen herausbewegt, etwa Richtung Ruhr oder Rhein-Herne-Kanal, wird es manchmal richtig pittoresk. Auf eine leicht morbide, postindustrielle, naturüberwuchernde Art.

Gibt es Orte, für die das besonders zutrifft?
Wenn man von Mülheim an der Ruhr nur den Bahnhof, das angrenzende „Forum“-Einkaufszentrum und die Fuß­gängerzone sieht, kommt einem das Grausen. Wenn man dann aber die Altstadt entdeckt – Saarn, das Schloss Broich – oder an der Ruhr runterradelt, wird es richtig schön. So ein Phänomen trifft natürlich auf viele Städte zu. Aber in Mülheim ist dieser Kontrast am größten.

Welche Umnutzung alter Industriegebäude fasziniert Sie am meisten und warum?
Als erstes fällt mir die Zeche in Bochum ein, die ja seit den 1980er-Jahren bundesweit eine der ersten Adressen für Rockmusik ist. Aber auch die ehemals soziokulturellen Zentren wie die Zeche Carl in Essen, die Kaue in Gelsenkirchen sind hervorragende Beispiele dafür, dass Kultur nicht in gesichtslosen Mehrzweckhallen stattfinden muss.

Was muss man als Besucher des Ruhrgebiets auf jeden Fall gesehen haben?
Die Zeche Zollverein ist populär, aber der Landschaftspark Nord in Duisburg ist viel interessanter, spektakulärer und schöner. Vor allem wenn es dämmert und das alte Stahlwerk illuminiert wird. Das hat schon was Mad-max-post-Apoka­lyptisches. Und wenn es herbstet, man ganz oben steht und die Photosynthese genießt, gibt es keinen schöneren Ort im ganzen Pott.

Welche Auswirkungen hat der Strukturwandel auf das kulturelle Angebot im Ruhrgebiet?
Für viele Städte ist die Abwanderung vor allem von jungen Menschen fatal. Da gibt es schon den einen oder anderen Zuschauereinbruch. Man merkt, wenn Kulturträger jahrelang nachhaltig gearbeitet und sich ein Publikum „erarbeitet“ haben. Aber auch das hilft manchmal nicht mehr. Wo keine Arbeit ist, ist auch keine Kultur. So einfach ist das.

Phoenixsee in Dortmund
Justizzentrum Bochum: Auch hochwertige Architektur ist Geschmackssache.

Wie geht „der kleine Mann“ mit dem Strukturwandel um? Welche Perspektiven hat er?
Ich habe auf meinen Tourneen einige Menschen getroffen, die wegen fehlender Arbeit aus dem Ruhrgebiet abwandern mussten. Meine Heimatstadt Bochum ist da natürlich durch Nokia und Opel besonders betroffen. Dass es mal zu so etwas kommen würde, hat man ja lange verdrängt. Jetzt ist es eingetreten, und dem muss man sich stellen. Man zieht dahin, wo die Arbeit ist. Das war schon immer so.

Inwieweit hilft das „kumpelhafte“ Wesen der Arbeiter – sei es im Bergbau oder in der Autoindustrie –, den Strukturwandel gut zu überstehen?
Die sprichwörtliche Ehrlichkeit und Direktheit der Menschen hier hilft schon, die Sachen anzusprechen, die uns wirklich belasten. Es gibt ja hier auch kaum „Ureinwohner“, die meisten sind ja Kinder von Immigranten, Gastarbeitern und „Hierhergezogenen“. Da gibt es nicht viel Raum für vorgeschobene Befindlichkeiten. Ohne dieses „Tacheles-Reden“ würden wir bekloppt werden.

Auf welche Art wird der Mythos um den Bergbau, die sogenannte „Bergbauromantik“, lebendig bleiben?
Uns wird die Bergbauromantik, das Steigerlied, die Kohleloren in den Vorgärten und all dies noch lange begleiten. Ja, es ist spießig und manchmal duselig , aber es gehört nun mal dazu. Wichtig ist, sich nicht vollkommen in Sentimentalität zu suhlen. Der Bergbau hatte nämlich auch seine Schattenseiten. Auch das gehört dazu, und dem muss man sich stellen.

Und welche Perspektiven hat das Ruhrgebiet an sich?
Es gibt natürlich „Baustellen“! Der öffentliche Nahverkehr muss zum Beispiel dringend vereinheitlicht, vereinfacht und verbilligt werden, der Straßenverkehr kollabiert ja jetzt schon. Wir sind eben keine „Ruhrstadt“, sondern ein „Gebiet“. Sowas birgt unglaubliche Chancen, die endlich mal von der Verwaltung ergriffen werden müssen.

Beispiel Dortmund: Luxuswohnen am Phoenix-See, Problembezirk Nordstadt – was bedeutet das zunehmende soziale Gefälle für Stadt und Region?
Der Phoenix-See war eine gute Idee, nur die Ausführung war mies. Und Brennpunkte wie die Nordstadt oder Altenessen gab es schon immer. Um die muss man sich kümmern. Natürlich sind neue Wohnungen und Häuser wichtig, aber wir brauchen weniger Trabantenstädte, sondern müssen mehr „miteinander“ wohnen und klarkommen. Sonst entstehen Ghettos. Auch Luxus-Ghettos.

Gibt es auch moderne Gebäude im Ruhrgebiet, die Sie persönlich beeindrucken?
Ich frage mich eher, wann man eigentlich aufgehört hat, schöne Häuser zu bauen. Auch, wenn es Architekten vielleicht anders sehen: Mir gefällt das Justizzentrum in Bochum gar nicht. Was treibt diese Menschen dazu, die Innenstädte noch hässlicher zu machen, als sie sowieso sind? Das sind die Fragen, die ich mir stelle.

Seit über 25 Jahren bietet die Zeche Carl ein abwechslungsreiches Kulturprogramm an.
Etwas kleiner ist die KAUE in Gelsenkirchen. Doch auch hier ist seit über 25 Jahren die Kultur zuhause.

Hennes Bender
geboren 1968 in Bochum, DE
studierte von 1989 bis 1996 in seiner Heimatstadt Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Schon währenddessen hat er sein Bühnendebüt am Bochumer Schauspielhaus und arbeitet mit Heinz-Peter Lengkeit an eigenen Programmen. Zusammen gewinnen sie den „New Talent Award“ des Quatsch Comedy Clubs. Es folgen einige Regiearbeiten und 1997 die Trennung von Lengkeit. Dann erste Auftritte mit einem Soloprogramm. In den kommenden Jahren etabliert Hennes Bender sich mit seinen Shows im Fernsehen und auf der Bühne. Zudem ist er als Moderator, Autor und Synchronsprecher tätig. Zuletzt übersetzte er den Asterix-Comic „Die Trabantenstadt“ in ruhrdeutsche Mundart. Der Band ist unter dem Titel „Dingenskirchen“ im Buchhandel erhältlich. Im Oktober startet seine Tournee „Ich habe nur zwei Hände!“.
www.hennesbender.de

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